Beate Sanladerer zum Beruf des Heilpraktikers
Beate Sanladerer ist praktizierende Heilpraktikerin und Dozentin an der Heilpraktikerschule Paracelsus. Im Interview beschreibt sie den Berufsalltag des Heilpraktikers und erklärt, wie der Berufseinstieg gelingt.
Frau Sanladerer, Sie sind auf Umwegen zur Naturheilkunde gekommen. Eigentlich studierte Architektin, arbeiten Sie heute als Heilpraktikerin und führen eine eigene Praxis. Statt den Bau von Häusern zu planen, haben Sie sich in Ihrer Ausbildung zur Heilpraktikerin lieber mit dem Aufbau des menschlichen Körpers beschäftigt. Was war Ihre Motivation, sich zur Heilpraktikerin ausbilden zu lassen?
Beate Sanladerer: Ich habe mich natürlich, auch bevor ich Architektur studiert habe, schon immer für den menschlichen Organismus interessiert. Als Tochter eines renommierten Arztes und Klinikchefs war meine Karriere als Medizinerin eigentlich vorgeplant, ich hatte mich dann aber bewusst für meine kreative Seite entschieden, nicht zuletzt, weil mir der Klinikbetrieb aus leidvoller Erfahrung nur zu bekannt war.
Meine eigene Krankheitsgeschichte, mit über 25 Jahren chronischen Schmerzen bis hin zum Burn-Out, hat mich dann zur Naturheilkunde geführt. Nach 25 Jahren voller aufwendiger, aber sinnloser Diagnostik, immer neuen Schmerzmitteln und der Androhung mehrerer schwerer Operationen, lernte ich einen naturheilkundlich tätigen Arzt kennen, der mich in wenigen Behandlungen mit gezielten Handgriffen dauerhaft von meinen Schmerzen befreite. Dieses "Wunder" weckte in mir als analytisch denkendem Menschen den Wunsch, das Erlebte zu verstehen, zu ergründen und nach Möglichkeit weiterzugeben.
Der Gang zum Heilpraktiker liegt bei Patienten im Trend. Zunächst aber einmal ganz allgemein: Was erwartet den Patienten in einer Praxis für Naturheilkunde? Was machen Sie als Heilpraktikerin, im Gegensatz zum Arzt, anders?
Beate Sanladerer: Der wesentliche Unterschied zum Arztbesuch liegt sicherlich schon im Faktor Zeit. Ein Behandlungstermin beim Heilpraktiker dauert in der Regel mindestens 30 und bis zu 90 Minuten, zum Beispiel für eine Erstanamnese. Dabei werden alle Aspekte erfragt, um sich ein möglichst genaues Bild des Patienten und seiner Lebensumstände machen zu können. Auch die Diagnostik bezieht immer den ganzen Menschen ein, denn die Naturheilkunde behandelt den ganzen Menschen und nicht nur einzelne Krankheiten oder Symptome.
Sie sind selbst als Dozentin tätig und begleiten den Heilpraktiker-Nachwuchs während der Ausbildung. Aus Ihrer persönlichen als auch fachlichen Erfahrung heraus: Welche Eigenschaften sollten angehende Naturheilpraktiker mitbringen?
Beate Sanladerer: Aufgrund des erheblichen Umfangs der Ausbildung, ist zunächst Begeisterung auch für die theoretischen Grundlagen der Medizin unabdingbar, um das Lernpensum mit Freude und Erfolg zu bewältigen. Für die spätere Praxis sind, neben sicherem fachlichen Auftreten, auch oder gerade Kommunikationsfähigkeit und Empathie wesentliche Voraussetzungen für einen langfristigen Erfolg.
Wie sieht der Berufsalltag einer Heilpraktikerin aus?
Beate Sanladerer: Natürlich steht die Arbeit mit den Patienten an erster Stelle. Behandlungstermine müssen organisiert und durchgeführt werden, dabei achte ich persönlich sehr darauf, dass kein Patient länger als 10 Minuten Wartezeit hat. Intensive Gespräche und gezielte Behandlungen erlauben meist nicht mehr als 10 bis 12 Patiententermine pro Tag. Daneben sind noch organisatorische Arbeiten, wie Dokumentation, Bestellungen und Abrechnung, zu erledigen. Dazu finden an einigen Wochenenden noch Fortbildungen und Seminare statt, sodass man durchaus von einem erfüllten Arbeitsalltag sprechen kann.
Worin liegen Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung und die größte Chance im Beruf eines Heilpraktikers?
Beate Sanladerer: Die größte Herausforderung liegt sicherlich darin, dass in unsere Praxen häufig die Patienten kommen, die trotz anhaltender Beschwerden schulmedizinisch "austherapiert" sind. Diesen Patienten das Selbstbewusstsein für die eigenen Kräfte und Möglichkeiten zurückzugeben und sie in den meisten Fällen sogar von ihren Beschwerden zu befreien, das ist unsere größte Chance.
Der Deutsche Heilpraktikerverband e.V. spricht auf seiner Verbandshomepage davon, dass es mehr als 200 naturheilkundliche Behandlungsmethoden gibt. Eine Spezialisierung macht also Sinn. Sie haben sich in Ihrer Praxis auf Schmerztherapie und Ernährungsberatung spezialisiert. Ab wann ist eine Spezialisierung notwendig und sinnvoll, bereits während oder besser nach der Ausbildung? Von welchen Faktoren sollten Schüler ihre Entscheidung für die Spezialisierung abhängig machen und was hilft ihnen dabei, diese Entscheidung bestmöglich zu treffen?
Beate Sanladerer: Sowohl die Ausbildung als auch die amtsärztliche Überprüfung beinhalten überwiegend rein medizinische Fachthemen aus Anatomie, Physiologie und Pathologie. Dieser Themenkreis ist sehr umfangreich und bildet die unabdingbare Grundlage für die spätere Tätigkeit. Während der Ausbildung ist es daher sinnvoll, sich ganz auf dieses "Fundament" zu konzentrieren.
Eine Spezialisierung kann sich im Zuge der Ausbildung oder aus den eigenen Erfahrungen und Neigungen entwickeln, manchmal auch erst im Rahmen der ersten beruflichen Praktika. Es ist sicher kein Fehler, sich mit der endgültigen Spezialisierung bis nach der Prüfung Zeit zu lassen.
Ob ich mich für eine rein homöopathische Praxis oder eine Praxis, in der invasive Methoden angewendet werden, entscheide, ist genauso richtungsweisend für mögliche Spezialisierungen, wie meine räumlichen und körperlichen Möglichkeiten.
Wie bereits erwähnt, unterrichten Sie neben Ihrer Praxistätigkeit. Sie sind Dozentin an der Paracelsus Heilpraktikerschule. Worauf sollten Interessenten achten, wenn sie sich für eine Heilpraktikerschule entscheiden? Welche Tipps können Sie in Ihrer Rolle als Dozentin und aus Ihren persönlichen Erfahrungen während Ihrer eigenen Ausbildung geben?
Beate Sanladerer: Da die meisten Heilpraktiker-Anwärter die Ausbildung nebenberuflich absolvieren, ist es natürlich wichtig, die Studienzeiten optimal in den Berufsalltag einzupassen und gegebenenfalls flexibel zu sein. Wichtig sind auch das zur Verfügung stehende Unterrichtsmaterial und die Möglichkeiten, sich umfassend auf die amtsärztliche Prüfung in Theorie und Praxis vorzubereiten.
Seriöse Heilpraktikerschulen bieten die Möglichkeit zur Teilnahme an einem kostenlosen Probeunterricht, bei dem man sich dann ein persönliches Bild machen kann.
Wie sehen Sie die Diskussion um schulmedizinische versus naturheilkundliche Behandlungsmethoden? Sinnvolle Ergänzung oder Konkurrenz? Ihre Antwort an den Skeptiker: Was können Naturheilpraktiker mit ihrer Arbeit und in ihrem Beruf leisten und wo liegen die Grenzen?
Beate Sanladerer: Bereits Albert Schweitzer hat richtig konstatiert: "Kein Arzt kann heilen, heilen kann nur der Mensch selbst, der Arzt kann ihn nur dabei unterstützen…".
Der Unterschied zwischen der wissenschaftlichen Schulmedizin und den naturheilkundlichen Verfahren der Erfahrungsheilkunde liegt größtenteils schon in der Betrachtungsweise. Während die Medizin vordergründig Symptome beseitigt, möchte die Naturheilkunde den Menschen als Ganzes sehen und heilen. Dabei spielt die Eigenkompetenz des Patienten eine sehr große Rolle. Während er seine Kompetenz beim Arzt in der Regel abgibt, wird sie ihm in der Naturheilkunde zugemutet – mit oft verblüffenden Erfolgen, gerade bei chronischen Erkrankungen. Ob man dies als Ergänzung oder Konkurrenz sieht, liegt im Auge des Betrachters.
Natürlich hat die Naturheilkunde ihre Grenzen da, wo die Gesundheit des Einzelnen medizinisches Eingreifen erfordert oder das Allgemeinwohl, zum Beispiel bei ansteckenden Krankheiten, gefährdet ist.
Von Ayurveda über Bachblütentherapie bis hin zu Laser-Akupunktur, das Interesse an naturheilkundlichen Behandlungsmöglichkeiten ist in den letzten Jahren gestiegen. Naturheilkunde liegt im Trend. Deutschlandweit gibt es mittlerweile circa 20.000 Heilpraktiker. Eine hohe Zahl. Wie schätzen Sie die Berufsmöglichkeiten von Heilpraktikern nach einer Ausbildung ein und wie können angehende Heilpraktiker ihre Berufsaussichten verbessern?
Beate Sanladerer: Im Vergleich zu etwa 145.000 niedergelassenen Ärzten in Deutschland (Quelle: Bundesärztekammer 2012) stellt sich der Anteil der Heilpraktiker vergleichsweise gering dar. Natürlich muss man sehen, dass Heilpraktiker Privatleistungen anbieten, die vom Patienten selbst zu tragen sind. Allerdings bieten immer mehr Krankenversicherungen preiswerte Zusatzversicherungen an, die auch zunehmend von den Patienten in Anspruch genommen werden. Unter dem Aspekt eines zunehmenden Ärztemangels gerade in ländlichen Bereichen und der weitgehenden Kostenübernahme bei zusatzversicherten Patienten, deren Zahl schnell ansteigt, sollte der wirtschaftliche Aspekt kein Negativfaktor sein.
Vielmehr ist es wichtig, sich durch ein individuelles Praxisangebot und entsprechende Spezialisierung zu etablieren. Bei allen modernen Werbemöglichkeiten (Internet etc.) wird in unserem Berufsstand aber fast ausschließlich die Empfehlung durch zufriedene Patienten die Grundlage für langfristigen Erfolg sein. Und dafür braucht man besonders am Anfang ein gutes Durchhaltevermögen, das sich aber in jedem Fall auszahlt.
Muss es für Heilpraktiker immer die eigene Praxis sein? Welche alternativen Arbeitsorte kommen für einen Heilpraktiker infrage?
Beate Sanladerer: Der Beruf des Heilpraktikers ist ein Freier Beruf. Für Heilpraktiker gibt es leider bislang nur wenige Möglichkeiten, in öffentlichen Institutionen und Kliniken zu arbeiten. Allerdings gibt es in größeren Städten schon Naturheilpraxen, bei denen mehrere Heilpraktiker angestellt sind.
Um Berufserfahrung zu sammeln und sich auf eine Spezialisierung vorzubereiten, ist es wichtig, entsprechende Praktika zu absolvieren. Bei entsprechendem Talent ist es auch möglich, journalistisch für naturheilkundliche Fachmagazine tätig zu werden oder als Dozent zu arbeiten, wobei Heilpraktikerschulen in der Regel eine mindestens 3-jährige Berufserfahrung voraussetzen.
Wir danken Ihnen für das Gespräch!